Sozialgeschichte der

Kindheit

Mit der Entstehung des Bürgertums im Laufe des 19. Jahrhunderts änderte sich der Blick auf die Kindheit. Nun spielten die Kinder der Mittelschicht mit Spielzeug. Die zukünftige Geschlechterrolle spiegelte sich im Spielzeug wider. Jungen wurden auf das Leben als „Ernährer“ der eigenen Familie vorbereitet, also als Soldat, Fabrikbesitzer oder einer anderen gehobenen Stelle. Dementsprechend spielten die Jungen in dieser Zeit mit Soldatenfiguren, Ritterburgen, Dampfmaschinen oder anderem technischen Gerät der Zeit. Dem Rollenbild der Zeit folgend, spielten Mädchen mit Puppen, Puppenhäusern, Spielküchen und anderen „Haushaltsgegenständen“ um sich auf das Leben als gute Hausfrau und Erzieherin der eigenen Kinder vorzubereiten. Typische Spielzeuge für Jungen war beispielsweise die Ritterburg aus der Zeit um 1890/1895. Die Burganlage stammt aus dem erzgebirgischen Raum. Darunter ist eine Dampfmaschine mit Zubehör zu sehen, sie stammt aus der Zeit um 1896. Hier sollten Jungen an technische Anlagen herangeführt werden und damit auf ihre Zukunft vorbereitet werden. Auf der anderen Seite werden mehrere Puppen und Zubehör gezeigt, beispielsweise eine Puppenküche aus der Zeit um 1896. Es war damals typisches Mädchenspielzeug, welches auf die Rolle als „Hausfrau“ und Mutter vorbereiten sollte.
Die Sozialgeschichte der Kindheit wirft noch immer viele Fragen auf. Seit Jahrtausenden spielten Kinder mit Naturmaterialien, welche sie in der Umgebung fanden. Da die Wohnverhält- nisse beengt waren und es keine Rückzugsräume wie Kinderzimmer gab, wurde zumeist draußen gespielt. Schon in der Steinzeit wurden Figuren aus Ton bzw. Holz gefertigt. Die Kinder lernten von den Erwachsenen und ahmten dies im Spiel nach. Im Spiel erkundeten sie die Welt und erlebten die physikalischen Gesetze. Kleinkinder spielten also auf ähnliche Weise wie unsere Kinder heute, nur dass die Spielzeugindustrie inzwischen Bälle, einfache Musikinstrumente und Konstruktionsspielzeug aus buntem Kunststoff anbietet. Im Mittelalter spielten Kinder mit einfachen, selbstgemachten Spielsachen wie Holzpuppen, Tonkugeln oder Steckenpferden. Außerdem gab es Gemeinschaftsspiele wie Verstecken, Fangen, oder Reifentreiben. Bei diesen Spielen wurde Geschicklichkeit und Schnelligkeit trainiert. Trotz harter Lebensbedingungen fanden Kinder immer Wege, sich spielerisch zu beschäftigen und ihre Fantasie auszuleben. In der Gründerzeit veränderte sich die Kindheit grundlegend. Durch die Industrialisierung entstanden völlig neue Spielzeuge. Kinder aus wohlhabenden Familien konnten eine behütete Kindheit mit Bildung, Freizeit und Spielzeug genießen, während viele Arbeiterkinder weiterhin zum Lebensunterhalt der Familie beitragen mussten.