Verden in der Kolonialzeit
Bis in die 1880er Jahre war die
Spielzeugauswahl noch sehr begrenzt. Man
nutzte Holz, Porzellan oder andere keramische
Stoffe, um die „Natur“ in das Kinderzimmer zu
holen. Da diese „Werkkörper“ schwer zu
modellieren waren, bildete das Spielzeug
damals kaum die Realität nach. Im späten 19.
Jahrhundert wurden erstmals Thermoplaste
hergestellt, Kunststoffe die sich in einem
bestimmten Temperaturbereich verformen
lassen. Diese frühen Kunststoffe waren jedoch
leicht entzündlich.
Im frühen 20. Jahrhundert entwickelten gleich
zwei Spielwarenfirmen (Lineol und O. & M.
Hausser) in Deutschland formbare Massen die
nicht brennbar waren und auf frühere Plastik-
Arten verzichteten. Die unterschiedlichen
Rezepturen beinhalteten Holzmehl, Kreide,
Leim, Leinöl, Baumharz, Kasein (Milch-Protein)
und Kaolin (Mineral).
Damals kam es zu einem gesellschaftlichen
Wandel, bei dem Kinder zunehmend als
eigenständige Individuen gesehen wurden, die
durch Spielzeug nicht nur unterhalten, sondern
auch gebildet werden sollten. Gerade die
Tierfiguren förderten das Lernen über Tiere und
die Natur und passten sich so dem neuen
Verständnis von Kindheit und Erziehung an.
Ablenkung von den Kriegsfolgen, Sammel-
leidenschaft, wirtschaftlicher Wohlstand,
technische Innovationen und gesellschaftliche
Veränderungen trugen dazu bei, dass
Spielzeugfiguren zu einem festen Bestandteil
der Kindheit wurden.
Um 1900 spielten viele Kinder gerne mit
exotischen Tierfiguren, weil diese den Wunsch
nach Abenteuer und Freiheit stillten und die
Faszination für fremde Länder und koloniale
Entdeckungen der Zeit widerspiegelten.
Zeitgleich erfreuten sich exotische
Ausstellungsstücke in Museen und Zoos
wachsender Beliebtheit.
Zwischen 1884–1919 besaß Deutschland einige
Kolonien, vor allem in Afrika. Auch wenn diese
Kolonialzeit keine 50 Jahre andauerte, hatte
dieser Länderbesitz eine bedeutende Rolle für die
Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur.
Zeitungen, Bücher und Werbung verbreiteten ein
verklärtes Bild der Kolonien, das den Besitz über
fremde Gebiete als selbstverständlich darstellte.
Während die politische Führung und die
Oberschicht den Kolonialismus unterstützten, gab
es auch Kritiker, die ihn als ausbeuterisch und
unmoralisch ansahen.
Nach dem Ersten Weltkrieg verlor Deutschland
durch den Vertrag von Versailles (1919) all seine
Kolonien an die Siegermächte. Dennoch wirkten
koloniale Denkweisen lange nach – etwa in
Straßennamen, kolonialen Vereinen oder
nostalgischen Erinnerungen an das "verlorene
Kolonialreich".